gas balloon, qualification flights, team

fahrtbericht nordlandfahrt 2012.


sorry, just in german language.

Eine Nordlandfahrt über fast 1.500 km.

Für die freien Tage zwischen Weihnachten und Silvester hatten wir uns eine letzte lange Gasballonfahrt erhofft, auch wenn das Wetter jahreszeitlich bedingt nur wenige Chancen bietet.
Für NRW gab es nur ein kleines „Wetterfenster“ für eine Tagesfahrt, ansonsten sollte täglicher Niederschlag Fahrten unmöglich machen. Wir konzentrierten uns daher schon frühzeitig auf den Startplatz in Gendorf-Burgkirchen mit der Suche nach einer guten Wetterlage und passender Fahrtrichtung. Schon ab dem 26. Dezember war eine Fahrt am 29. Dezember nach Norden erkennbar, alternativ 1-2 Tage später Richtung Südost. Weil diese Länder im Schnee versunken sein sollten, fokussierten wir uns auf eine „Nordlandfahrt“.

Nach Kontaktaufnahme mit Mike Reichert und Bepperl Höhl mit Georg Sellmaier haben wir uns entschieden eine so genannte Tandemfahrt mit zwei Gasballonen und einem Verfolgerteam durchzuführen. Also schnell die Ballone zum Start anmelden, weil in Gendorf (so wie auch in Augsburg) keine Druckleitung an 365 Tagen zur Verfügung steht. Wasserstoff gibt es nur so viel wie produziert ist, sofern vor dem Jahreswechsel bei Revisonen überhaupt Gas verfügbar ist. Freitagnachmittag trafen wir uns nach über 800 km Anfahrt in Gendorf-Burgkirchen. Anschließend Ballone füllen, Wetterbriefing, Abendessen und etwas Nachtruhe im alten Eisenbahnwaggon des Freiballonclub Salzach – Inn.

Beide Ballone starteten kurz nach 2 Uhr UTC in den sternklaren Nachthimmel. Mike Reichert hatte für uns einen Flugplan aufgegeben, alle Flugsicherungsstellen informiert und vorsorglich sogar die Göteborg Rescue Control über unsere Reise gebrieft. „Ich werde keinen 11 Stunden über die Ostsee schicken ohne ein ‚safety backup‘!“ so Mike.

Unsere Fahrt führte anfangs mit rund 10 Knoten Richtung Norden, über dem Bayerischen Wald erreichte unser Ballon eine Geschwindigkeit von ca. 20 Knoten. Den Prager Luftraum passierten wir westlich, am Grenzübergang südlich Pirna fuhren wir mit 30 Knoten über winkende Ski- Langläufer hinweg, dann kamen wir knapp östlich am Luftraum Dresden vorbei. Mit einsetzender Dämmerung überquerten wir Cottbus. Die Nachtabkühlung des Wasserstoffs war mit weniger als 2 Säcken Ballast zum Ausgleich fast nicht zu merken. Nach den riesigen Tagebaugebieten erreichten wir gegen 16:30 UTC südlich Eisenhüttenstadt die Grenze zu Polen. Hier genossen wir den für uns absoluten Luxus im Gasballon: Stille. Kein Geräusch, kein entferntes Rauschen von Bäumen, Straßen- oder Flugverkehr, keine Stadt oder Besiedlung, kein Wasserlauf, absolut nichts.
In Polen sind wir an den wenigen aktiven Sperrgebieten komfortabel vorbeigefahren, ansonsten hatten die Lotsen keine Arbeit mit Flugzeugen und auch wenig Lust mit uns zu sprechen. In niedriger Höhe fuhren wir mehrere Stunden mit ca. 30 Knoten in Richtung 30 Grad. Gelegentlich hörten wir Wölfe heulen, Wild lief durch den Wald. Den weißen Strand der Ostseeküste erreichten wir gegen 22:41 UTC (23:41 lokal) östlich Köslin. Rückblickend nach Burgkirchen hatten wir ca. 440 NM (ca. 810 km) zurückgelegt, zu unserem theoretischen Ziel Helsinki sollten es noch weitere ca. 400 NM (740 km) sein. Das Team Bepperl Höhl mit Georg Sellmaier im D-OWML (FSV Münster Münsterland e.V.) fuhr ab Dresden – für uns nicht mehr sichtbar – fast parallel, aber ein Stück weiter westlich, in Richtung Helsinki/Tampere in Finnland.

Für uns war schon vor Erreichen der Ostseeküste klar, dass wir Finnland nur östlich Helsinki erreichen würden und peilten daher das für uns sicherere Estland an. Nach einer Landung 2004 in Litauen und 2005 in Lettland war Estland das nördlichste und letzte der drei kleinen baltischen Staaten in denen ich landen sollte. Nach knapp 6 Stunden über der Ostsee und mit erster Dämmerung war die Küste von Lettland überfahren, anschließend in ca. 2 Stunden die große Bucht von Riga überquert. Die Kommunikation mit der Flugsicherung war einfach und ohne Einschränkungen, Tallinn fragte sogar, ob wir auf dem internationalen Lennart – Meri – Flughafen landen möchten.

Wir bevorzugten aber eine Landung 20 – 30 km südlich der Stadt einzuleiten und gegebenenfalls noch etwas tief zu fahren. Nach 33 Stunden und einer Minute hatten wir ein freies Feld gefunden und sind mit ca. 15 Knoten im 40cm hohen Schnee gelandet. Von 50 Sack á 10 kg konnten wir 31 volle Säcke auf estnischen Boden verteilen.
Nach Kontakt mit meinem Bruder Markus Haggeney erreichte uns der lettische CIA-Delegierte Gints Gailis telefonisch und organisierte Valdur Vacht aus Tallinn mit Auto und Anhänger. Innerhalb einer Stunde erreichte er uns in Begleitung seines Sohnes, half bei der Bergung und sorgte für ein tolles Abendessen bei seiner Familie.

Etwa 12 Stunden nach der Landung trafen wir im Hotel auf unsere Verfolger Oliver Pietig und Christoph Almodt. Sie sind ab Burgkirchen durch Tschechien, Polen, Litauen, Lettland und Estland gefahren und haben dabei über 2.000 km zurückgelegt. Eine mehr als bemerkenswerte große Leistung! Nun könnte man argumentieren, „warum nicht nach Hause fliegen und den Ballon versenden?“ Einerseits ist ja nie sicher, ob eine Gasballonfahrt wirklich so weit geht, andererseits kommt der Ballon mit den vielen teuren technischen Geräten im eigenem Verfolgerfahrzeug unbeschädigt zurück, was man bei Speditionen nie im Voraus wissen kann. Andererseits galt es ja den zweiten Ballon einzusammeln. Bepperl und Georg waren nördlich Turku in Finnland gelandet und wurden von Olli und Maya Luoma geborgen.

Am Morgen nach unserer Landung erwartete uns das estnische Fernsehen „TV3“, um das seltene Ereignis im Land zu verbreiten. Der Kameramann Veiko Vares nahm sich einige Stunden Zeit uns seine Hauptstadt zu zeigen. Nachmittags legte unsere Fähre von Tallinn Richtung Helsinki ab. Bei unserem Freund Ben Mattsson trafen wir auf das zweite Team. Nach einem angemessenen Landefest am Silvesterabend und Sekt zum Neujahr unter dem Feuerwerk vor dem Crowne-Plaza-Hotel war komfortables Ausschlafen und eine weitere Stadtrundfahrt durch Helsinki angesagt. Georg und unsere verdienten Verfolger Olli und Christoph flogen mit dem Flugzeug nach Hause.

Himke, Bepperl und ich setzten mit der Fähre nach Stockholm über, durchquerten Schweden mit dem Auto, nahmen eine der letzten Fähren des Tages von Rödby nach Puttgarden und erreichten in den frühen Morgenstunden Warendorf.

Unser großer Dank geht an unsere Verfolger Olli und Christoph sowie an Mike Reichert. Er sorgte für eine erstklassige Flugvorbreitung und immer frische Wetterinformationen. Wir fühlten uns zu jeder Zeit gut beobachtet und beraten. Danke auch an alle Verwandte und Freunde, die von zuhause aus mitfieberten.

Wir sind gut gelandet, Besatzung, Ballon und Verfolger heile zurück. Das ist nicht selbstverständlich.

Fakten:

Ballon: D-OWNT „Warsteiner“, 1.000 cbm
Ballast zum Start: 50 x 10 kg
Ballast nach der Landung: 31 x 10 kg
Luftlinie: 1.446 km
Fahrtlinie: 1.494 km
Fahrtzeit: 33 Stunden, 1 Minute

Geschwindigkeit max. 70 km/h
Geschwindigkeit durchschnittlich 45 km/h
Verfolgung inkl. Fahrt zum Startplatz: 4.250 km